Die fünf häufigsten Denkfehler, die Ihr Digitalisierungsprojekt sicher scheitern lassen

Die digitale Transformation führt zu fundamentalen Veränderungen in der Unternehmenswelt. Sie hat nicht nur Auswirkungen auf die Technik, sondern auf das gesamte Geschäft. Welche Herausforderungen mit der Digitalisierung einhergehen und welche Denkmuster ein Projekt scheitern lassen können, erläutert Chief Innovation Officer Miguel Flaminio von der tegos Group.

Es gibt viele Gründe, warum es mit der digitalen Transformation hapert; alle reden davon, aber niemand weiß genau, wie er sie anpacken soll. Einfach nur einen Mann an das Thema zu setzen – ohne Budget und ohne klares Ziel, ist noch lan­ge keine digitale Transformation. Viele hoffen, konkurrenzfähig zu bleiben, indem sie kleine Veränderungen an ihren Abläufen vornehmen. Meist jedoch ist der Blickwinkel zu eng gefasst. Denn: Digitalisierung ist kein IT-Projekt – es ist ein Organisati­onsprojekt, in dem Strukturen geändert werden müssen, damit strategische Ziele erreicht werden können. Dies wird nur allzu oft unterschätzt und kulturelle Aspekte der Strukturveränderung werden nicht ausreichend bedacht.

1. Denkfehler: Es reicht, wenn das Führungsteam den Prozess anstößt

Digitalisierung ist ein Kraftakt und erfordert tiefgreifende Verän­derungen: Das Führungsteam muss bereit sein, seine Einstellung von Grund auf zu verändern. Wenn ein Projekt sich auf mehrere Bereiche der Unternehmung auswirkt, Mitarbeiter und Arbeits­weisen unmittelbar betrifft und verändert, dann ist die Aufgabe des Management Boards nicht damit getan, den Prozess anzu­stoßen, Budgets freizugeben und einen Vertrag zu unterzeich­nen. Genau das Ist jedoch in der Praxis oft der Fall.

Das Führungsteam muss während des gesamten Projektverlau­fes eine Anlaufstelle für seine Mitarbeiter sein, den Projekt­verantwortlichen Vertrauen entgegenbringen und sie mit der nötigen Entscheidungskompetenz ausrüsten, damit das Projekt reibungslos verläuft. Nur dann gelingt der Change im ganzen Unternehmen.

2. Denkfehler: Moderne Lösungen begeistern jeden

Während eines Change-Prozesses kann es passieren, dass Mit­arbeiter unmotiviert sind, wenn sie den Mut oder Überblick verloren haben. Viele leisten bei Veränderungen erst einmal Widerstand. Ein Mitarbeiter fürchtet um seinen Arbeitsplatz. Der andere hat Angst, seinen Einfluss zu verlieren, weil er kein Monopol mehr auf Information besitzt und der Dritte fürchtet, dass seine Leistungen nun genauer kontrolliert werden. Auf die Projektbeteiligten kommt Mehrarbeit zu.

Da muss die Unternehmensführung ansetzen und gezielt in­formieren: Warum ein neues System notwendig ist. Warum die Arbeitsmethoden geändert werden müssen. Und wie der Einzelne davon profitieren kann. Nur dann können eine gemein­same Vision, Akzeptanz und ein gemeinsames Verständnis ent­stehen. Kommunikation ist daher ein maßgeblicher Baustein auf dem Weg eines erfolgreichen Digitalisierungsprojektes.

3. Denkfehler: Digitalisierung – dafür sind die IT-Nerds zuständig

Häufig wird das Thema Digitalisierung in die Hände der „IT-­Nerds“ gelegt. Aber wie schon gesagt: Digitalisierung ist kein IT-Projekt. Bei der Wahl eines geeigneten Projektleiters sind also nicht nur IT-Kompetenzen gefragt. Im Gegenteil: Es sind weniger die fachlichen Kompetenzen als vielmehr Soft Skills wie Kommunikationsfähigkeit, Empathie und Glaubwürdigkeit, die im Rahmen einer umfangreichen Digitalisierung und bei der Wahl der richtigen Change Agents gefragt sind. Anders als der Projektleiter sollten die Key User wiederum über das nötige Fach- und abteilungsübergreifende Wissen verfügen. Denn sie sind diejenigen, die die Anforderungen an eine digitalisierte und effizientere Infrastruktur formulieren und schlussendlich am besten bewerten können.

4. Denkfehler: THINK BIG – am besten optimieren wir alles auf einmal!

Ein effizienter und produktiver Workflow entsteht erst dann, wenn abteilungsübergreifende Prozesse optimal aufeinander abgestimmt sind. Eine Digitalisierungsstrategie sollte dementsprechend fachlich übergreifend implementiert werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass man direkt alle Bereiche auf einmal digitalisieren und sich nicht zunächst punktuell auf bestimmte Bereiche konzentrieren kann. Im Gegenteil: Sich zu fokussieren, ist sinnvoller, als in allen Abteilungen einfach irgendwie anzu­fangen. Um Risiken zu minimieren, sollten überschaubare und erreichbare Ziele gesetzt werden. Das Credo lautet also: ,,lieber kleine Schritte als alles auf einmal“! Die MoSCoW-Methode (Must, Should, Could, Won’t), bei der die Anforderungen anhand ihrer Wichtigkeit und ihrer Auswirkung priorisiert werden, ist hierbei ein bewährtes Hilfsmittel.

5. Denkfehler: Versuch macht klug!

Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern bedeutet weitrei­chende Investitionen, die einen konkreten Mehrwert erzielen – sei es durch höheren Umsatz und Gewinn oder durch neue Kunden.

Ein Scheitern der Transformation, von der Mitarbeiter wie auch Kunden und Partner betroffen sind, darf keine Option sein. In der Praxis gibt es zahlreiche Beispiele, in denen millionenschwere Digitalisierungsprojekte über Jahre hinweg verfolgt wurden und am Ende teilweise erfolglos verworfen werden mussten. Ein Rückschlag, den mit Sicherheit nicht jedes Unternehmen ohne Weiteres überstehen würde.

Merke!

Digitalisierung geht weit über den Einsatz moderner Technologien im Unternehmen hinaus. Es ist ein Prozess, der maßgebliche Ver­änderungen der Strukturen im Unternehmen mit sich bringt und sich unmittelbar auf die gewohnten Arbeitsweisen von Menschen auswirkt. Damit die digitale Transformation im eigenen Unternehmen gelingen kann und Widerstände erfolgreich gemeis­tert werden können, ist es wichtig, ein professionelles Change­ Management zu implementieren. Dies beginnt bei der richtigen Auswahl der Projektverantwortlichen, impliziert aber ebenso eine Veränderung der Einstellung des Management Boards sowie eine kontinuierliche Kommunikation der Notwendigkeit und der Ziele der Digitalisierung. Gelingt dies, so wird der Prozess als solcher für die Beteiligten nicht einfacher, aber beherrschbar!