Einsatzbereiche künstlicher Intelligenz in der Recyclingwirtschaft

Künstliche Intelligenz beeinflusst unser Leben mehr denn je und ist mittlerweile unser täglicher Begleiter – ob im Büroalltag, in der Produktion oder im heimischen Wohnzimmer. Die Vielfältigkeit der Anwendungsbereiche kennt kaum eine Grenze und bietet Unternehmen reichlich Potenzial Geschäftsprozesse und Wertschöpfungsketten neu zu definieren.

Dennoch betrachten nicht wenige Unternehmen die rasante Entwicklung auf dem KI-Gebiet mit Sorge. Das Vertrauen in KI ist – sagen wir – ausbaufähig, auch bei unseren Kunden der Recyclingwirtschaft. Einer Studie zufolge halten sich besonders datenbezogene Bedenken im Hinblick auf den Datenschutz, die Datenqualität und die maschinelle Interpretation von Daten hartnäckig und lassen die Unternehmen in Deutschland vor dem Einsatz von KI-Lösungen zurückschrecken.[1] Gleichzeitig fehlt es oft an dem passenden Mitarbeiter-Know-How sowie einer Vision für den Einsatz der neuen Technologie im eigenen Unternehmen. Viele Mitarbeiter stehen KI-Lösungen zudem skeptisch gegenüber und fürchten, durch sie ersetzt zu werden. Dabei sollte KI keinesfalls als ein Ersatz für den Menschen betrachtet werden. Vielmehr geht es darum, Routineaufgaben von intelligenten Technologien abwickeln zu lassen, sodass Mitarbeiter mehr Zeit für die komplexeren Aufgaben haben.

 

Was bedeutet KI?

Beispiele möglicher Einsatzbereiche für KI in der Recyclingbranche gibt es zahlreich. Bevor wir diese jedoch näher erläutern, wollen wir zunächst genau klären, was KI eigentlich bedeutet, um ein einheitliches Verständnis zu schaffen. Wenn wir von KI sprechen, so treffen wir häufig auf Begriffe wie Maschine Learning oder Neuronale Netze. Im Wesentlichen stehen hinter all diesen Begriffen intelligente Algorithmen, die auf Basis einer systematisch erfassten Datengrundlage eigenständig Entscheidungen treffen können und das schneller und zuverlässiger als Menschen Daten erfassen und zu einer Entscheidung gelangen können. Diese Entscheidung ist nie eine Absolute „Ja oder Nein“-Entscheidung, sondern wird eher in numerischen oder prozentualen Ergebnissen ausgedrückt.

Nehmen wir z. B. eine KI bzw. einen Algorithmus, der darauf trainiert ist, Bilder von Hunden und Katzen zu unterscheiden. Für dieses Training wird die KI zunächst mit tausenden von Bildern gefüttert. Wird ihr dann ein bis dato unbekanntes Bild gezeigt, auf dem ein Hund zusehen ist, so wird auf Grund der gelernten Informationen eine Entscheidung getroffen, was sich auf dem Bild befindet. Das Ergebnis wird beispielweise 80% Hund und 20% Katze lauten. Aufgrund der prozentualen Verteilung käme bei der Interpretation des Ergebnisses schließlich ein Hund heraus.

Je mehr Bilder für das Training verwendet werden, umso besser wird die Vorhersage bzw. das Ergebnis der KI. Für den Aufbau einer KI sind also Trainingsdaten die wichtigste und dabei die begrenzende Ressource. Denn zu Beginn steht immer die Frage: „Wo bekommen wir die Daten her?“

Verfügt man erstmal über eine gewisse Datengrundlage für das initiale Training, so können später Daten aus dem laufenden Betrieb dafür genutzt werden die KI kontinuierlich weiter zu trainieren und die Ergebnisse stetig zu verbessern, in dem die analysierten Daten einer Feedbackschleife zurückgeführt werden, durch die die KI weiter trainiert wird. Eine KI ist folglich nur so gut wie ihr Training und somit nur so gut wie die Daten.
Ebenso ist eine KI nur für eine bestimmte Aufgabe trainiert. Bedeutet: Eine Künstliche Intelligenz, die nur auf die Unterscheidung von Bildern mit Hunden und Katzen trainiert ist, wird bei anderen Aufgaben keinen großen Erfolg haben. Zeigt man dieser KI das Bild eines Tisches, so wird das Ergebnis immer nur entweder Hund oder Katze oder beides sein. So viel zu der Theorie. Kommen wir jetzt zu den praktischen Beispielen.

Automatisierte Verwiegung durch KI

Anders als bei früheren Lösungen sind die von der KI getroffenen Entscheidungen also nicht das Resultat einer vorgegebenen Programmierung, sondern auf eine umfangreichen Datengrundlage und einem stetigen Lernprozess der KI zurückzuführen, in dem die KI mit jedem Ereignis lernt und sich stetig selbst optimiert. Auf diese Weise können durch KI Entscheidungen schneller, wirtschaftlicher und nachhaltiger getroffen werden.

Im Vordergrund steht also immer der Mehrwert. Gute Beispiele, in denen KI-Lösungen einen echten Mehrwert in der Entsorgung- und Recyclingbranche bringen und Routineaufgaben von Mitarbeitern ersetzen können, finden wir beispielsweise bei der Verwiegung im Hinblick auf die Kennzeichenerkennung und der Materialerkennung.

So ist es bei der Anlieferung oder Abholung von Materialien auf einem Wertstoffhof oftmals wichtig das KFZ-Kennzeichen der Fahrzeuge zu dokumentieren, wenn sie mittels einer Fahrzeugwaage verwogen werden. Die Eingabe des KFZ-Kennzeichens erfolgt dabei üblicherweise manuell.

Betrachten wir den Prozess der KFZ-Kennzeichenerfassung während der Verwiegung näher, so lässt dieser sich in mehrere kleine Teilaufgaben gliedern: dem Erkennen eines Bilder durch eine an der Waage angebrachten Kamera an der Front oder dem Heck des Fahrzeuges, dem Interpretieren der Zahlen und Zeichen auf dem Kennzeichen sowie dem Erfassen des KFZ-Kennzeichens in der Software. Diese einzelnen Schritte können stand heute schon von einer intelligenten KI, wie der LPR-KI der tegos (License Plate Recognition = KFZ-Kennzeichenerkennung), übernommen werden.

Die automatische Kennzeichenerkennung bilden einen ersten Baustein auf dem Weg zu einer automatisierten Verwiegung und ermöglichen zum Beispiel die automatische Erkennung einer Spedition auf Basis dem System bekannter KFZ-Kennzeichen. Hof- und Lagermitarbeitern oder aber dem Wiegemeister selbst werden daraufhin automatisch mit den wichtigsten Informationen des Spediteurs versorgt, die über das KFZ-Kennzeichen im System hinterlegt werden. Bei eigenen Fahrzeugen ließe sich die Kenntzeichenerkennung dafür nutzen, beispielsweise die Fahrzeugbesatzung direkt zu ermitteln und in den Wiegeschein zu übernehmen.

Ein weiterer Baustein zur mannlosen Verwiegung ist die Materialidentifizierung bzw. -erkennung. Gerade wenn die Qualität des Materials schwankt oder in unterschiedlichen Qualitäten geliefert wird, kann dies herausfordernd sein. Eine über dem LKW angebrachte Kamera und eine KI-Anbindung mit Bilderkennung können diese Aufgabe übernehmen.
Anhand tausend gelernter Bilder von den Materialien kann die KI die Qualität des Materials bewerten. Auch wenn optisch keine eindeutige Identifikation des Materials erfolgen kann, so kann die Technik die Auswahl für den Anwender zumindest stark einschränken.
Da jedes aufgenommene Bild Teil der Feedbackschleife im Lernprozess der KI wird, werden die Ergebnisse und die Genauigkeit mit jedem Fahrzeug und jeder Materiallieferung präziser und besser.

Der Vorteil von KIs für die Materialerkennung ist, dass sie nicht an feste Installationsorte gebunden sind. Eine große Anzahl von Lager- und Hofmitarbeitern unserer Kunden arbeiten mittlerweile voll digital mit Ihrem Smartphone oder Tablett. Vom Gabelstaplerfahrer, über den Qualitätsprüfer, bis hin zu Kranführer erhalten Sie alle Informationen über eine sogenannte Yard-App. Gerade Anwender wie ein Qualitätsprüfer können mit ihrer in das Smartphone oder Tablet integrierten Kamera Bilder vom Material anfertigen und sie direkt hinsichtlich der Sorte oder der Qualität des Materials von der KI analysieren lassen. Durch die direkte Integration der KI mit dem ERP-System fließen die Ergebnisse sofort in die zentrale Datenbank zurück und stehen so allen anderen Mitarbeitern zur Verfügung. Ebenso werden die Bilder im Dokumentenarchiv vorgehalten und können zur Anfertigung von Qualitätsberichten oder für die Eröffnung von Beanstandung, sogenannten Claims, genutzt werden.

Resümee

Für den Einsatz von KIs in der Recyclingwirtschaft gibt es zahlreiche Möglichkeiten und wir stehen gerade erst am Anfang diese auszuschöpfen. Neben der automatisierten Verwiegung werden KIs künftig in verschiedensten Lager-, Hof-, Separations- und Produktionsprozessen zu finden sein und Routineaufgaben von Mitarbeitern nach und nach übernehmen. Unsere Geschäftsprozesse und Arbeitsroutinen werden sich dadurch maßgeblich ändern. Scheu und Ängste vor dieser Entwicklung sind jedoch unbegründet. Das merken auch unsere Kunden schnell, wenn sie sich erstmal näher mit der Materie und den damit verbundenen Chancen und Möglichkeiten näher beschäftigen.

[1] State of AI in the Enterprise Survey 2018